In tausend Geschichten zeigt sich im Musikkindergarten, dass die Musik alle kulturellen und sozialen Hürden leicht überwindet und die Kinder, unabhängig von ihrem Hintergrund, an alle Bildungsbereiche heranführt. Vielleicht, weil die Musik unsere Ursprache ist und Bedeutungen strukturieren und systematisieren hilft.

Da ist der kleine kolumbianische Junge, der in Deutschland aufgewachsen ist, fließend die deutsche Sprache beherrscht, nach einigen Wochen in der elterlichen Heimat zurückkommt und im Musikkindergarten kein Wort Deutsch mehr spricht und versteht. Nur spanisch spricht.

Zu dem damaligen Zeitpunkt hatten wir keine Erzieherin, die des Spanischen mächtig war - die Situation war also brenzlig, weil der Kleine auf kein deutsches Wort reagierte. Einen Tag später war die Situation geklärt. Auf die Frage „Wie?“ kam eine nun doch überraschende Antwort: Die Kinder hätten das Problem gelöst. ??? Am Abend des vorigen Tages hätten sie alle spanisch gesprochen. Alle Kinder seiner Gruppe haben, ohne jede Anleitung, mit den gehörten spanischen Vokabeln so kunst- und lustvoll gespielt und gesprochen, dass der kleine Kolumbianer seine besondere neue Rolle verloren hatte und am nächsten Tag wieder Deutsch sprach. Die Kinder haben durch die Musik fein geschulte Ohren, der Zugang zu anderen Lauten und Sprachen fällt ihnen leicht und ist ihnen zudem noch ein Riesenspaß. Frühspanisch kann das nicht ersetzen. Das Fazit daraus: Ein ausgebildetes Wahrnehmungsvermögen befähigt nicht nur zum Lernen, es verführt dazu.

Da ist die knapp Zweijährige, die nach dem Besuch einer Geigerin der Staatskapelle Berlin wider alle Vernunft und entgegen allen unseren pädagogischen Grundsätzen schon Geige spielen will und über Wochen auf der Viertelgeige im Musikkindergarten so lange herumkratzt, bis sie richtige Töne hervorbringt.

Und die Zweieinhalbjährige, die mit zwei Muttersprachen in den Musikkindergarten kommt, kein Wort Deutsch kann und nach einer Woche musikalischer Grundverständigung anfängt, deutsch mitzusingen.

Oder die kleine Gruppe von knapp vierjährigen Jungen, die verschiedenfarbige Wäscheklammern zusammensuchen, diese bunt durcheinander zusammenstecken und die fünf Meter lange Schlange als Partitur zum Musizieren mit unterschiedlichen Instrumenten benutzen: Jeder Klammerfarbe war ein Instrument zugeordnet. Und sie spielten ihre Partitur mit großer Ernsthaftigkeit und hohem Tempo ab. Sie wollten „komponieren“, ein Komponist war Wochen zuvor bei den Kindern zu Besuch - nur auf die Wäscheklammernpartitur-Idee wäre kein Erwachsener gekommen.